06 Mrz Frieden • Zusammenhalt • Menschlichkeit • Demokratie
Vor 2 Jahren am 20. März 2020 habe ich einen Post geschrieben, in dem ich das Bedürfnis hatte, meine Gedanken zur Pandemie, zum Lockdown und zu Social Distance, zum Zusammenhalt zu teilen.
Heute, 2 Jahre später habe ich das Gefühl, ich kann nahtlos daran ansetzen. Und bin fast sogar froh, diese Erfahrung schon zu haben, gestärkt daraus hervorzugehen.
Wir alle sehen den Krieg in der Ukraine, Unmenschliches, Erschreckendes, das skrupellose Vorgehen eines Diktators!
Wieder ist es eine Art Schock, ein Schreck, etwas, das wir noch nicht richtig begreifen können. Unfassbar!
Und es fühlt sich eigenartig an, wie hier das Leben trotzdem irgendwie einfach sein Gang geht, während ganz in der Nähe erschreckende Ereignisse passieren.
Ja, wir sind mehr betroffen, als wenn ein Krieg und erschreckendes Unrecht weiter weg passiert – in entfernteren, fremden Gegenden der Welt.
Ich mache mir Gedanken darüber, was LEID bedeutet. Und macht es überhaupt Sinn, Leid zu vergleichen?
Und wie wichtig ist gerade der Unterschied zwischen MIT-LEID und MIT-GEFÜHL?
Was kann ich tun und wie komme ich aus der MACHT-LOSIGKEIT heraus und bleibe in meiner KRAFT?
Ich glaube, LEID ist eben nicht einfach vergleichbar.
Das unendliche und unfassbare Leid, das gerade – während wir vielleicht glücklich und in Sicherheit, sogar in beflügelnder Aufbruchstimmung sind – in der Ukraine passiert, macht unsere eigenen Gefühle bezogen auf unsere eigenen Themen, unsere Sorgen, unsere Kraftquellen nicht weniger relevant oder gar unangemessen.
Es ist natürlich weiterhin ok, nein wichtig, sich Sorgen um seine eigenen Kinder zu machen, die eigenen Ziele, die eigene berufliche Entwicklung voranzutreiben. Überhaupt sich und sein Umfeld ernst zu nehmen, zu respektieren, darauf zu achten, was in unserem eigenen Umfeld passiert. Und gleichzeitig ist es wichtig, dass ich mein vielleicht ‚kleines‘ Drama in Relation zu den wirklich wichtigen Dingen setze.
Es ist niemandem damit geholfen, dass ich meine Energie herunterfahre, mich dauerhaft kraftlos fühle, nur weil es jemand anderem schlecht geht.
Ganz im Gegenteil: Ich kann nur wirklich helfen, wenn ich auch für mich sorge. Ich darf mein Privileg, in Sicherheit zu sein, schätzen, wertschätzen und auch froh darum sein. Nur so kann ich es nutzen – für mich und für andere. Auch wenn es mir ‚besser‘ als anderen geht, kann ich nur stabil und kraftvoll sein, wenn ich mich mit meinen Stärken und auch Schwächen wahrnehme und sie annehme. Häufig sind wir gerade in schwierigen Situationen überrascht über uns selber. Deshalb ist es immer wichtig, ein gutes Gespür für sich selber zu haben und ehrlich zu sich selbst zu sein.
Wenn wir mit dem Leid konfrontiert sind, flüchten wir uns schnell in MIT-LEID.
Mit-Leid entsteht aus der Distanz: „Die armen Menschen, denen geht es so schlecht! Das tut mir so leid.“ Wir spenden vielleicht und schauen wieder weg. Es ist so unangenehm, so belastend. Und wir wollen uns schützen. Vor dem Mit-Leid.
MIT-GEFÜHL ist deutlich wichtiger im Moment.
Es entsteht aus dem Öffnen unserer Herzen. Wir lassen gewissermaßen den Schmerz hinein, den wir im Außen, vor unserer Haustür sehen. MIT-GEFÜHL ist eine Art herzliche Anteilnahme und hat mit Einfühlungsvermögen und Verständnis auf der Basis von Ebenbürtigkeit und Wertschätzung zu tun. MIT-GEFÜHL bedeutet, meinen Schmerz zu fühlen, der mir ermöglicht, mein Gegenüber in seinem Schmerz zu erkennen und dafür voller Mut und Stärke diesem Menschen und mir in unserer gefühlten Gemeinsamkeit, unserem Zusammenhalt, im Schmerz, Raum zu geben. Gleichzeitig ist eine objektive Sichtweise möglich.
Das bedeutet vielleicht auch, dass ich Geld spende, vielleicht trägt mich dieses MIT-GEFÜHL aber auch zu einer neuen Haltung und dem Öffnen meines Herzens zu dem, was ist. Und damit zu einem Gespür dafür, was JETZT wichtig und für mich richtig ist.
Was in der Ukraine passiert ist furchtbar. Und zu jedem Zeitpunkt herrschen Kriege auf diesem Planeten, werden Menschen gequält, sterben andere, zerstören wir die Natur, passiert Unrecht.
JETZT macht es einen Unterschied. Wir wissen, dass Menschen sterben. Wir wissen, dass Menschen getrennt werden. Wir wissen, dass sie in großer Gefahr und Unsicherheit leben. Wir wissen, dass Lügen verbreitet werden. Und das macht auch uns unsicher, denn wir wissen nicht immer genau, was wir sagen sollen, wie wir uns verhalten sollen.
Ich merke in diesen Tagen, dass es wichtig ist, aus der MACHT-LOSIGKEIT, aus der OHNMACHT rauszukommen.
Sich mit dem einzubringen, an dem man selber am nächsten dran ist. Was einem selber am besten gelingt, wo man selber einen Beitrag leisten kann und möchte. Was einem wichtig und wertvoll ist. Mit einer HALTUNG, die in HANDELN mündet. Helfen hilft auch uns. Ist ein Weg, der nach vorne gerichtet ist, uns zusammenrücken lässt. Zeigt, dass du etwas tun kannst.
Mich beeindruckt sehr, wie deutlich viele Unternehmen reagieren, sich jetzt ihrer Herausforderung stellen, eine klare Haltung für die Demokratie, für den Frieden einnehmen. JETZT Entscheidungen treffen, wie sie sich gegenüber Russland verhalten und klare Zeichen setzen. Mich beeindrucken klare, ehrliche Worte von Politikern. Mich beeindruckt, dass unzählige Menschen Verantwortung übernehmen, sich gegenseitig mitziehen. Und ich betrachte es aus meiner Haltung heraus als selbstverständlich. Mich beeindruckt und berührt, wie Wolodymyr Selenskyj sich vor seine Landsleute stellt, mutig, ehrlich, ohne Zögern, Vertrauen stiftend und so erst diese Solidaritätsbewegung ermöglicht hat. Das ist nicht selbstverständlich, das ist unglaublich stark, bewegend, motivierend, vorbildlich, echt.
Wir leben in einer wertvollen und fragilen Freiheit, durch die Demokratie gesichert. Sie kann nur durch uns Menschen geschaffen und erhalten werden.
Für uns alle ist es wichtig, in unserem Luxus, in unserer Freiheit und Sicherheit, aber auch in unseren Herausforderungen stabil und geerdet in unserem Vertrauen zu bleiben. Lassen wir uns nicht von den dunklen Kräften mit runterziehen, sondern ein Licht sein, eine Kraft sein in den dunklen und auch in den weniger dunklen Zeiten.